Friesland (offiziell friesisch Fryslân) ist eine der zwölf niederländischen Provinzen im Norden des Landes. Die Hauptstadt ist Ljouwert/Leeuwarden. Im deutschen Sprachraum ist für die Provinz Fryslân die Bezeichnung Westfriesland gebräuchlich. Der Name ist eine analoge Bildung zu den Bezeichnungen der in Deutschland liegenden Regionen Nordfriesland und Ostfriesland. In der Provinz Friesland ist neben der niederländischen Standardsprache auch Westfriesisch als offizielle Sprache in Gebrauch. Die Mehrheit der Bewohner der Provinz Friesland (75%) spricht Westfriesisch, allerdings ist trotz zweisprachiger Schulerziehung die friesische Alphabetisierungsrate gering.
Das Besondere an der Region ist, dass sie insgesamt für Mehrsprachigkeit wirbt und ein Gesamtpaket zum Sprachmarketing aufzeigt, um das Friesische zu stärken. Das äußert sich in den Kampagnen von Afûk, in den dreisprachigen Schulen, sowie für Kampagnen, um Eltern von Neugeborenen über die Vorteile von Mehrsprachigkeit aufzuklären. Zu beachten ist dabei, dass die Provinz offiziell zweisprachig ist. Ein Großteil der Bewohner ist zweisprachig Friesisch-Niederländisch, wobei in der Regel Englisch als dritte Sprache hinzukommt.
Geschichte
Zwischen 400-200 v.Chr. ließen sich die ersten Siedler im Gebiet Westfriesland nieder.
Das ursprüngliche Siedlungsgebiet der Friesen ist die Region zwischen Rhein und Weser. Seit der Ausdehnung der Nordfriesen auf die nordfriesischen Inseln und das gegenüberliegende Festland, haben sich Nord- und Westfriesisch getrennt voneinander entwickelt.
Im 8. Jahrhundert kam Friesland zu Frankenreich, und wurde christianisiert. Im Laufe des Mittelalters wurde das alte Siedlungsgebiet der Friesen stückweise von den Grafen von Holland (Grafschaft des Heiligen Römischen Reiches) einverleibt. Das Gebiet, das übrig blieb, verfügte am Ende des Mittelalters jedoch über eine stark ausgeprägte Selbständigkeit: Dies war die Zeit der Friesischen Freiheit, in der Häuptlinge und Bauern selbst das Sagen hatten, ohne Grafen oder Herzoge, und vom Kaiser weit entfernt. Im Jahr 1498 endete diese Periode und Friesland fiel zunächst an Sachsen, und kurz danach zu Burgund. Nach einem Aufstand und einem langen Krieg gegen den Burgundischen König, König Philipp II. von Spanien, wurde die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen unabhängig und Friesland eine Provinz innerhalb dieser Konföderation. Ab 1581 hatte Friesland in der Republik eine relativ unabhängige Position, es hatte z.B. eine eigene Admiralität und war – nach Frankreich – das erste Land, das 1782 die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten anerkannte.
1795 wurde Friesland Teil der Batavischen Republik, 1806 des napoleonischen Königreichs Holland und 1810 des Französischen Kaiserreichs. Seit 1815 ist Friesland eine Provinz des neu errichteten Königreichs der Niederlande. Mit der französischen Periode und dem Königreich der Niederlande löste sich die relative Autonomie Frieslands auf in einen modernen zentralistischen Staat. Heute werden die wichtigsten Entscheidungen in Den Haag getroffen.
Seit dem 20. Jhd. gab es mehr und mehr Möglichkeiten in der Provinz, die friesische Sprache in der Öffentlichkeit, Bildung usw. anzuwenden.
Sprache
Westfriesisch (Frysk) ist eine autochthone Minderheitensprache, in der niederländischen Provinz Fryslân/Friesland von ca. 450.000 Menschen gesprochen wird. Sie gehört zum friesischen Abzweig innerhalb des westgermanischen Zweiges der indoeuropäischen Sprachfamilie. Nächste Verwandte sind Nordfriesisch mit ca. 10.000 Sprechern und Saterfriesisch als einzig verbliebener Rest des Ostfriesischen mit ca. 2000 Sprechern. Zusammen bilden die drei Sprachen die friesische Sprachgruppe, die wie das Englische wiederum zur Nordseegruppe der westgermanischen Sprachen gehört.
Die Provinz Fryslân hat etwa 647.000 Einwohner, von denen ca. 450.000 Westfriesisch sprechen. Laut einer Untersuchung der Provinz Fryslân (2007: De FryskeTaalatlas) verstehen in Westfriesland 94% Westfriesisch, 74% können die Sprache sprechen, 75% der Bewohner können Westfriesisch lesen und 26% schreiben. Über die Hälfte der Einwohner geben an, dass Westfriesisch ihre Muttersprache ist.
Die ersten schriftlichen Dokumente – alte friesische Gesetze – entstanden im 12. Jh.
Im 16. Jh. avancierte das Niederländische zur Amtssprache und verdrängte das Westfriesische in vielen Bereichen. Seit dem 19. Jh. hat das Friesische seine Position als Amts-, Bildungs- und Gerichtssprache allmählich wiedererobert.
Das heutige Standardfriesisch entwickelte sich seit den 1830er Jahren.
Eine Regionalsprache Westfrieslands ist Stellingwerfs, ähnlich dem Plattdeutschen.
Rechtslage
Die Provinz Fryslân ist die einzige in den Niederlanden, in der neben Niederländisch noch eine andere Sprache Amtssprache ist: das Westfriesische. Diese wird in den meisten Bereichen angewandt: vor Gericht, in öffentlichen Behörden, im Radio, Fernsehen sowie in der Bildung.
Im Jahr 1997 wurde der Name der Provinz Friesland offiziell geändert in die westfriesische Bezeichnung Fryslân. Nur ein Name kann die offizielle Bezeichnung sein.
Am 4. Juni 2013 stimmte das niederländische Parlament einstimmig für ein Gesetz über die Anwendung der friesischen Sprache. Das Gesetz bestätigt den Status des Friesischen als zweite Amtssprache der Niederlande und regelt die Nutzung der friesischen Sprache in der öffentlichen Verwaltung und Justiz. Das Gesetz schafft ebenfalls eine Rechtsgrundlage für die Vereinbarung über die friesische Sprache und Kultur zwischen der nationalen Regierung und der Provinz Friesland. Anzumerken ist, dass das Gesetz eigentlich eine Zusammenlegung existierender Bestimmungen in einem neuen Gesetz darstellt. Im Moment wird noch über öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehprogramme diskutiert.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die regionalen Behörden in den Niederlanden, einem dezentralisierten Einheitsstaat, über eine eher geringe Autonomie verfügen. Die meisten Aufgaben werden vom Parlament in Den Haag beschlossen und müssen von den Provinzen implementiert werden, wobei auch das Budget größtenteils aus Den Haag kommt.
Organisationen
In der Stadt Leeuwarden / Ljouwert gibt es neben der Provinzregierung wichtige Organisationen und Institutionen der Westfriesen. Dazu gehören die Fryske Akademy/Friesische Akademie, das Mercator European Research Centre, Afûk, das Zentrum der westfriesischen Literatur und Geschichte Tresoar und viele weitere.
Der Ried fan de Fryske Beweging (RfdFB) (deutsch: Rat der Friesischen Bewegung) ist eine 1945 gegründete Organisation, die sich für den Erhalt der friesischen Sprache und Kultur im niederländischen Friesland einsetzt. Der vollständig unabhängige Rat ist eine Stiftung von zurzeit zwölf unabhängigen friesischen Organisationen. Dazu gehören etwa die Sektion West des Friesenrats (Fryske Rie) und der Unterstützerverein des friesischen Rundfunks Freonen fan Omrop Fryslân, aber auch Vereine der anderen Regionalsprachen Frieslands (Bildts, Stellingwerfs).
Neben den zwölf Vereinigungen, die insgesamt etwa 12.000 Menschen vertreten, sind auch ungefähr 500 unterstützende Einzelmitglieder dem Ried angeschlossen.
Fryske Rie ist die Sektion West im Interfriesischen Rat, der Vertretung aller Friesen aus Nord-, Ost- und Westfriesland.
Seit 1938 besteht die Fryske Akademy/Friesische Akademie in Leeuwarden als Kultur- und Forschungszentrum. Sie betreibt grundlegende und angewandte Forschung zur friesischen Sprache, Kultur, Geschichte und Gesellschaft. Die Ergebnisse sind von sowohl akademischer als auch gesellschaftlicher Bedeutung.
Das Mercator Network (als Teil der Fryske Akademy/Friesischen Akademie) hat zum Ziel, mehrsprachige Regionen in Europa miteinander in Kontakt zu bringen, Wissensaustausch unter den Regionen anzuregen, den Austausch von Best Practices und guten Initiativen zu erleichtern. Der Fokus des Netzwerkes liegt sowohl auf autochthonen Regional- und Minderheitensprachen, aber auch Migrantensprachen und kleinere Nationalsprachen werden berücksichtigt.
Afûk ist der wichtigste Akteur in der Region für die Promotion der friesischen Sprache. Ziel von Afûk ist es die Kenntnisse und die Anwendung der friesischen Sprache und Kultur zu fördern, sowie die Region Fryslân und die Kultur bekannt zu machen. Neben Sprachkursen veröffentlich die Afûk Zeitschriften, Computerspiele und Bücher auf Friesisch. Besonders interessant ist die Kampagne der Afûk, „Praat mar Frysk“, eine Bewusstseinskampagne für die Sprache Westfriesisch, die in erster Linie durch social media zum Gebrauch des Friesischen anregen will. Seit 2007 ist das internationale friesische Topmodel Doutzen Kroes Botschafterin der Kampagne “Praat mar Frysk”.
Bildungssystem
Kindertagesstätten
Erst seit 1989 wurden einige Spielgruppen in friesischer Sprache betreut. Die Anzahl der Spielgruppen und Kindertagesstätten mit Friesisch als Umgangssprache hat in den letzten Jahren stark zugenommen.
Im Jahr 2000 gab es insgesamt rund 225 Spielgruppen und 25 bis 30 Tagesstätten in der Provinz Fryslân. Im Jahr 2007 gab es insgesamt 300 Spielgruppen und Kindertagesstätten.
In der Trägerschaft des Sintrum Frysktalige Berne-opfang (Kinderbetreuungszentrum; kurz:
SFBO) befinden sich momentan etwa 55 zweisprachige bzw. friesische Spielgruppen und Kindertagesstätten mit Friesisch als Unterrichtssprache. Dort werden rund 1.300 Kinder betreut.
Schulen
Friesisch ist für alle Schüler in der Grundschule und teilweise in der Mittelschule Pflichtfach, und kann als Unterrichtssprache dienen.
Zu den Besonderheiten des Schulsystems in Fryslân zählen kleine Schulen mit durchschnittlich 125 Schülern. Eine große Errungenschaft Fryslâns der letzten 10-15 Jahre ist die Gründung dreisprachiger Schulen (Westfriesisch, Niederländisch, Englisch).
Im Schuljahr 2005-2006 gab es 492 Grundschulen mit ca. 62.000 Schülern. Davon sind etwa 20 % zweisprachige Schulen – am Großteil der anderen wird Friesisch lediglich in einer Stunde pro Woche unterrichtet.
An 30 weiterführenden Schulen wie Mittelschulen und Gymnasien lernen etwa 37.000 Schüler. Mehr als ein Drittel dieser bietet überhaupt kein Friesischunterricht an. An den den Schulen, an denen Friesisch auf dem Lehrplan steht, unterscheiden die meisten Lehrer nicht zwischen Muttersprachlern und denjenigen, die Friesisch als Fremdsprache lernen. Darüber hinaus gibt es keinen Informationsaustausch zwischen Grund- und Sekundärschulen in Bezug auf
Lehrplan, Lehrmethoden oder die Ergebnisse des Sprachenlernens.
Man kann also sagen, dass Friesisch in der Sekundärstufe kaum Unterrichtssprache ist, und dass es weder eine einsprachige friesische Sekundärschule in Fryslân, noch zweisprachige Schulen mit
einem gleichen Anteil von Friesisch und Niederländisch gibt.
Hochschulbildung
Bachelor- und Masterstudiengänge der friesischen Sprache und Kultur werden an den Universitäten Groningen, Amsterdam und Leiden angeboten. In Leeuwarden/Ljouwert kann darüber hinaus Lehramt Friesisch an den Fachhochschulen NHL Hogeschool und Stenden Hogeschool belegt werden.
Die Universität Groningen bietet seit Kurzem neue Bachelor- und Masterstudiengänge zu Minderheiten und Mehrsprachigkeit mit Spezialisierung auf Friesisch an.
Erwachsenenbildung
Erwachsenenbildung erfolgt in Niederländisch. Afûk jedoch bietet auch Kurse in friesischer Sprache an, die jährlich von ca. 1000 Studenten besucht werden. Sie werden von der Provinz Fryslân sowie von einigen Kommunen finanziell unterstützt. Afûk erstellt ebenfalls Lehrmaterialien.
Die Afûk ermöglicht außerdem Fernunterricht. Zu diesem Zweck werden Lehr- und Lernmaterialien innerhalb des Projekts Edufrysk digitalisiert. Die einzelnen Lektionen und Materialien können von ihrer Webseite heruntergeladen werden.
Die Folkshegeskoalle Schylgeralân ist eine kulturelle Volkshochschule, die informelle Bildung für Erwachsene bietet, einschließlich Kurse und Workshops zur friesischen Sprache und Kultur. Jährlich findet ein zweiwöchiger Intensivsprachkurs statt, der in Zusammenarbeit mit Afûk organisiert wird.
Während Friesisch heute von allen politischen Parteien anerkannt und akzeptiert wird, geht es mit der Umsetzung der pro-friesischen Politik nur sehr langsam voran. Das wachsende Bewusstsein für und die Achtung des Friesischen bedeutet jedoch nicht, dass sich mehr Friesen für den Schutz und die Förderung der Sprache einsetzen.
Dennoch kann die Sprecherzahl als stabil wenn nicht als steigend gewertet werden, wobei die Sprachqualität abnimmt und das Friesische sich weiter an das Niederländische annähert.
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung spricht Friesisch als ihre Muttersprache zu Hause, im sozialen Umfeld und auch im öffentlichen Leben. Friesisch kann am besten als eine Sprache des informellen gesellschaftlichen Lebens charakterisiert werden, die stark in der mündlichen und eher schwach in der schriftlichen Anwendung ist.
Weitere Informationen / Links
Osterseminar der JEV 2013: Das language diversity team in Westfriesland
EUROMOSAIC: Frisian in the Netherlands (1995)
Mercator: FRISIAN. The Frisian language in education in the Netherlands (2010)
Heitenmem: Informationsplattform für junge Eltern
Tresoar: Zentrum der westfriesischen Literatur und Geschichte