Die Grenze zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark ist kaum spürbar: Viele Menschen sprechen deutsch und dänisch. Im nördlichsten deutschen Bundesland leben nach Schätzungen rund 50.000 Angehörige der dänischen Minderheit mit deutscher Staatsangehörigkeit. Gut organisiert bilden sie eine Brücke zu unserem Nachbarn Dänemark.
Die dänische Minderheit in Deutschland lebt im Landesteil Schleswig in der Stadt Flensburg, den Kreisen Nordfriesland und Schleswig-Flensburg sowie im nördlichen Teil des Kreises Rendsburg-Eckernförde. Südschleswig reicht von der Eider und dem Nord-Ostsee-Kanal im Süden bis zur Deutsch-dänischen Staatsgrenze im Norden, von der Nordsee im Westen bis zur Ostsee im Osten (siehe Karte).
Der prozentuale Anteil der Angehörigen der dänischen Minderheit an der Bevölkerung der einzelnen Gemeinden ist sehr unterschiedlich und reicht von Gemeinden mit nur einzelnen Familien der Minderheit bis zu etwa 20 Prozent in der Stadt Flensburg und einigen kleineren Orten. Die Angehörigen der dänischen Minderheit verstehen und sprechen die dänische Sprache zum überwiegenden Teil. Die ständige Nutzung und Förderung der dänischen Sprache ist die Grundlage der gesamten Minderheitenarbeit.
Geschichte
Ein Aufstand der Schleswig-Holsteiner 1848 gegen Dänemark führte 1864 zu einem Krieg zwischen Dänemark auf der einen und Preußen und Österreich auf der anderen Seite. Seit 1864 – nach dem für Dänemark verlorenen Krieg und der Zuordnung Nord- und Südschleswigs zu Preußen – gibt es die in Südschleswig heimische dänische Minderheit (siehe auch: Schlacht bei Düppel).
Bei der Volksabstimmung 1920 votierte Nordschleswig (das Gebiet des ehemaligen Sønderjyllands Amt) für Dänemark, während sich Südschleswig in seiner Mehrheit für Deutschland entschied. Seither besteht die dänische Minderheit als anerkannte Minderheit, deren Mutterland Dänemark ist. Seit der Volksabstimmung von 1920 und der damit verbundenen Grenzziehung gibt es auf jeder Seite der Grenze eine Minderheit.
In der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 wurde die dänische Minderheit einigen Repressalien ausgesetzt, musste allerdings keine Verfolgungen wie zum Beispiel die Minderheit der Sinti und Roma erleiden. Allerdings waren die Mitglieder der Minderheit auch, als einzige Reichsbürger, von der zwangsmäßigen Teilnahme an NS-Organisationen befreit.
In den ersten Nachkriegsjahren konnten die Verbände der dänischen Minderheit einen massiven Zugang verzeichnen. Bereits zwei Jahre nach Kriegsende identifizierten sich bereits etwa 100.000 Personen mit der Minderheit. Auch die Anzahl der Kindergärten und Schulen stiegen rapide an. Flüchtlinge sorgten für starken Zulauf zur dänischen Bewegung. Man sprach in diesem Zusammenhang von der „neudänischen Bewegung“. Unter den „neuen Dänen“ waren auch viele, denen die dänische Kultur und Sprache fremd waren. Sie hofften und forderten, dass Südschleswig von Deutschland abgetrennt würde und zu Dänemark käme. Nachdem das Flüchtlingsproblem in Schleswig-Holstein gelöst wurde, nahm auch der Zulauf zur dänischen Minderheit ab. Zudem wurde klar, dass Dänemark kein Interesse an der von der dänischen Minderheit geforderten Grenzrevision hatte und diese auch nie gefordert hatte.
Die Atmosphäre im Grenzland war lange Zeit angespannt. Erst im Vorfeld des NATO-Beitritts der Bundesrepublik änderte sich die Lage grundlegend. Dänemark wollte im Vorfeld des Beitritts der Bundesrepublik auch die Minderheitenfrage im Grenzland lösen. Das gelang schließlich am 29. März 1955 und das Ergebnis waren die Bonn-Kopenhagener Erklärungen, die parallel die Rechte der Minderheitenangehörigen in Nord-und Südschleswig bestätigen. Heutzutage beschreibt man die Entwicklung im Grenzland von einem Gegeneinander zu einem Miteinander und Füreinander – wichtige Schritte auf dem Weg zur endgültigen Gleichwertigkeit und Ausdruck für die gute Nachbarschaft im Grenzland.
Die dänische Sprache
Das Dänische gehört zu den germanischen Sprachen der indoeuropäischen Sprachfamilie und dort ursprünglich zur Untergruppe der skandinavischen (nordgermanischen) Sprachen. Zusammen mit Schwedisch bildet es den ostskandinavischen Zweig.
Zeugnisse des Einflusses der nordischen Sprachen können heute im Englischen gefunden werden, in Wörtern wie zum Beispiel sky (Dänisch sky), law (Dänisch lov), window (Dänisch vindue) oder den Pronomina they, them, their (Dänisch de, dem, deres). Die geografische Nähe zu Deutschland hat das Dänische kontinuierlich beeinflusst, da viele Wörter aus dem täglichen grenzüberschreitenden Kontakt entstanden.
Eine Besonderheit des Dänischen sind die vielen Dialekte, die selbst für Muttersprachler schwer zu verstehen sein können. Der südliche Dialekt Jütlands ist der Sønderjysk Dialekt. Dieser Dialekt wurde ursprünglich in dem Gebiet der heutigen Minderheit gesprochen, wurde aber seit dem Mittelalter vom Niederdeutschen verdrängt. Heute ist Sønderjysk im südlichsten Teil von Dänemark, der an Südschleswig grenzt, noch weit verbreitet, während es in Südschleswig selbst nur noch wenige Sprecher gibt.
Hinzu kommen noch sogenannte Mischsprachen, zum Beispiel ein Multiethnolekt, der von einigen Angehörigen der dänischen Minderheit gesprochen wird. Dieser entsteht durch eine direkte Übersetzung aus dem Deutschen ins Dänische ohne Veränderung der Syntax, mit dem Gebrauch von Germanismen und einer deutschen (relativ harten) Aussprache der dänischen Wörter. Diese Sprache wird von den Angehörigen der Minderheit Sydslesvigsk (Südschleswigsch) genannt und als ein eigener Dialekt des Dänischen angesehen.
Rechtslage
Die rechtliche Anerkennung der Dänen als nationale Minderheit ist im Grundgesetz und im Einigungsvertrag Deutschlands festgeschrieben.
Die Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 gelten als vorbildhaft für den Umgang mit nationalen und sprachlichen Minderheiten in Europa. Es handelt sich dabei um zwei separate Regierungserklärungen von Deutschland und Dänemark, die im Jahre 1955 die Anerkennung der Minderheit im jeweiligen Staat, d. h. der dänischen Minderheit in Deutschland und der deutschen Minderheit in Dänemark, bestätigten. Die Erklärungen gestehen den Minderheiten keine Sonderrechte zu; es werden jedoch das freie Bekenntnis zur jeweiligen Volkszugehörigkeit sowie die Gleichbehandlung aller Staatsbürger bestätigt. Es wird ausdrücklich anerkannt, dass „das Bekenntnis zur dänischen Nationalität und zur dänischen Kultur frei ist“ und „von Amts wegen nicht bestritten oder nachgeprüft werden darf.“ Ein Ergebnis war auch, dass der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) – wie schon seit 1953 für den Bundestag – auch auf Landesebene von der Sperrklausel befreit ist.
Die Bonn-Kopenhagener Erklärungen werden heute auf europäischer Ebene ergänzt durch das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten und die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Die Charta wurde durch die Bundesregierung 1998 ratifiziert und trat am 1. Januar 1999 in Kraft. Somit verpflichtet sich Deutschland Dänisch als Minderheiten- und Regionalsprache zu schützen, wobei sich die Maßnahmen auf das Bundesland Schleswig-Holstein beschränken, wo die Sprache verbreitet ist. Das Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten wurde 1997 durch die Bundesregierung ratifiziert und trat am 1. Februar 1999 in Kraft. Seitdem wurden drei Staatenberichte zum Rahmenübereinkommen und fünf Berichte zur Sprachencharta beim Europarat eingereicht.
Auf Landesebene ist die dänische Minderheit durch zwei Artikel in der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein geschützt (in der Fassung vom 13. Mai 2008):
Artikel 5: Nationale Minderheiten und Volksgruppen
(1) Das Bekenntnis zu einer nationalen Minderheit ist frei; es entbindet nicht von den allgemeinen staatsbürgerlichen Pflichten.
(2) Die kulturelle Eigenständigkeit und die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten und Volksgruppen stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. Die nationale dänische Minderheit, die Minderheit der deutschen Sinti und Roma und die friesische Volksgruppe haben Anspruch auf Schutz und Förderung.
Artikel 8 Schulwesen
(1) Die Erziehungsberechtigten entscheiden, ob ihre Kinder die Schule einer nationalen Minderheit besuchen sollen.
Sydslesvigloven (das südschleswigsche Gesetz)
Das Sydslesvigloven wurde am 23. März 2010 durch das Folketing (dänisches Parlament) ratifiziert. Das Gesetz sichert und garantiert dänische Staatszuschüsse für unter anderem den Bildungs- und Erziehungsbereich der dänischen Minderheit, aber auch für Kultur- und Öffentlichkeitsarbeit.
Weitere Informationen:
Organisationen
Die dänische Minderheit im nördlichen Schleswig-Holstein hat ein umfassendes Netzwerk aus Verbänden und Einrichtungen, das durch Zuwendungen von beiden Staaten finanziert wird. Dieses Netzwerk gewährleistet die funktionale kulturelle Autonomie der Minderheit.
Dachorganisation „Den Slesvigske Forening” – SSF (Südschleswiger Verein)
Der 1920 als „Den Slesvigske Forening“ gegründete „Sydslesvigsk Forening/SSF“ (Südschleswigscher Verein) ist der Kulturträger der dänischen Minderheit. Sein Generalsekretariat in Flensburg ist zentrale Anlaufstelle für allgemeine kulturelle und minderheitenpolitische Belange. Als Dachorganisation ist der SSF Träger weiterer 24 Vereine der dänischen Minderheit. Die Aufgabe des SSF ist die Ausbreitung und Pflege der dänischen Sprache und Kultur in der Region Südschleswig. Neben dem Engagement auf sozialer und kultureller Ebene, vertritt der SSF zusammen mit der eigenen politischen Partei „Sydslesvigsk Vælgerforening” (SSW) die politischen Interessen der Minderheit.
Vom dänischen Staat erhält die dänische Minderheit jährlich Zuschüsse in Höhe von insgesamt 500 Mio. dänischen Kronen. Das deckt ca. 2/3 der Gesamtkosten der Minderheit. Das restliche Drittel wird durch Zuschüsse vom deutschen Staat und durch Mitgliederbeiträge finanziert.
Sydslesvigsk Vælgerforening (SSW)
Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) wurde 1948 als Partei der dänischen Minderheit im Landesteil Schleswig und der nationalen Friesen in Nordfriesland gegründet. Der SSW ist seit 1955 für den Landtag von Schleswig-Holstein von der Fünf-Prozent-Hürde befreit. Für Bundestagswahlen gilt dies schon seit 1953 für Bundestagswahlen. Der SSW ist seit 1947 im Kieler Landtag dabei.
Im 18. Schleswig-Holsteinischen Landtag (2012-2017) ist der SSW – als drittstärkste Partei in Schleswig-Holstein – mit drei Abgeordneten vertreten. Ferner stellt er mit Anke Spoorendonk die Ministerin für Justiz, Europa und Kultur der rot-grün-blauen Regierung.
In ihren politischen Ansichten steht die Partei zwischen den Volksparteien CDU und SPD und orientiert sich dabei stark an der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung der skandinavischen Länder. So strebt der SSW grundsätzlich eine dezentrale, möglichst bürgernahe Politik an.
„Det sydslesvigske Samråd“ (Der gemeinsame Rat Südschleswigs)
Weitere Einrichtungen und Verbände koordinieren ihre Aktivitäten im „Det sydslesvigske Samråd“ (Der gemeinsame Rat Südschleswigs).
Es handelt sich um „Sydslesvigs danske Ungdomsforeninger“ – SdU (Dänischer Jugendverband für Südschleswig), die „Dansk Kirke i Sydslesvig“ (Dänische Kirche in Südschleswig) und „Dansk Sundhedstjeneste for Sydslesvig“ (Dänischer Gesundheitsdienst für Südschleswig), der unter anderem ein dänisches Altenheim betreibt. Das Büchereiwesen mit mehreren Filialen wird durch die „Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig“ organisiert, die über ein reiches Angebot an Medieneinheiten verfügt und darüber hinaus auch Kulturveranstaltungen und Dänischkurse anbietet. Die Tageszeitung „Flensborg Avis“, die auch einen deutschsprachigen Teil enthält, erscheint in einer Auflage von etwa 5.500 Exemplaren (Stand 2011) und ist Sprachrohr und Informationsquelle für die Minderheit.
Bildungssystem
Der Dänische Schulverein
Der Dänische Schulverein für Südschleswig betreibt Kindergärten und Schulen für Mitglieder der dänischen Minderheit. Der Verein betreibt: 55 Kindergärten, 47 Schulen (davon zwei mit gymnasialer Oberstufe), ein Schulwohnheim in Flensburg (Ungdomskollegiet), eine Heimvolkshochschule (Jarplund Højskole), zwei Landschulheime, eine Zentrale für Unterrichtsmaterialen, einen Schulpsychologischen Dienst und einen Ferienkontor zur Vermittlung von Ferienreisen für Schüler nach Dänemark.
Am 1. September 2010 betrug die Anzahl der Kinder in den dänischen Kindergärten 1.921. Am 1. September 2010 betrug die gesamte Schülerzahl 5.636. Der Anteil der dänischen Schüler an der Gesamtschülerzahl in Schleswig-Holstein beträgt etwa 1,8 Prozent. Die Betriebskosten des Schulvereins werden zu 50 % vom dänischen Staat, 43 % vom deutschen Staat, 3 % von den Kreisen und Kommunen und zu 4 % durch Eigenfinanzierung gedeckt.
Schulen
Seit 1955 sind alle Schulen der Minderheit staatlich anerkannte Schulen. Sie werden auch von Kindern deutscher Muttersprachler besucht. Bevor das Kind in den dänischen Kindergarten oder die dänische Schule kommen kann, werden die Eltern in einem Gespräch darüber aufgeklärt, dass die Umgangssprache in den Institutionen Dänisch ist und ein Zugehörigkeitsgefühl zur dänischen Minderheit erwünscht ist.
Die dänischen Schulen haben laut schleswig-holsteinischem Schulgesetz einen Sonderstatus, der besagt, dass sie, obwohl sie rechtlich gesehen Privatschulen sind, praktisch die gleiche Bedeutung für die dänische Minderheit wie die öffentlichen Schulen für die Mehrheitsbevölkerung haben. Dieser Sonderstatus wurde 2007 im Schulgesetz vermerkt. Die Schulabschlüsse der Minderheitenschulen haben die gleiche rechtliche Gültigkeit wie die der öffentlichen Schulen. Daher verlangt der Staat eine gewisse inhaltliche und strukturelle Angleichung an den Lehrplan der öffentlichen Schulen. Der Deutsch- und Dänischunterricht erfolgt jeweils in der Muttersprache. In den übrigen Fächern ist die Unterrichtssprache Dänisch, wobei darauf geachtet wird, dass Fachausdrücke in beiden Sprachen den Schülern geläufig sind.
Kindergärten
Über 90 % der Schüler haben vor Einschulung einen dänischen Kindergarten besucht. Kindergarten und Schule bauen aufeinander auf und gerade in den Kindergärten wird ein großer Fokus auf Sprachpädagogik gesetzt, damit ein fließender Übergang in die dänische Schule gewährleistet ist.
Durch diese Organisationen und die schulische Ausbildung auf Dänisch wird die dänische Sprache gefördert und der Erhalt dieser Sprache innerhalb der Minderheit garantiert. Die dänische Sprache ist dabei von grundlegender Bedeutung für das Selbstverständnis der dänischen Minderheit, sie ist jedoch kein unabkömmliches Kriterium für die Identifikation der Angehörigen mit ihr.
Weitere Informationen / Links
Nationale Minderheiten / Minderheiten- und Regionalsprachen in Deutschland, November 2012