Nach Schätzungen der UNESCO wird die Hälfte der 6000 heute gesprochenen Sprachen bis Ende dieses Jahrhunderts verschwinden, wenn nichts dagegen getan wird. Mit dem Verschwinden der ungeschriebenen und nicht dokumentierten Sprachen, würde die Menschheit nicht nur ihren kulturellen Reichtum verlieren, sondern auch wichtiges Wissen seiner Vorfahren, insbesondere in den Regional- und Minderheitensprachen und den Sprachen der indigenen Völker.
Jede Sprache repräsentiert eine Welt von Gedanken mit ihr eigenen Metaphern, Sprichwörtern und Mentalitäten, mit eigenem Vokabular, Klangsystem und Grammatik. In welchem Grade eine Sprache bedroht ist, bewerten die Herausgeber des UNESCO-Atlas nach neun Kriterien. Ausschlaggebend sind die Sprecherzahl sowie die Art und Qualität der Dokumentation. Ein weiteres Kriterium: Die Sprecher müssen ihre eigene Sprache wertschätzen. Relevant ist außerdem, in welchen Lebensbereichen die Sprache benutzt wird: Familie, Freizeit, Internet, Schule, Arbeit, Medien.
Überblick der Sprachen der Welt
Im Jahr 2010 erschien die neuste Ausgabe des „UNESCO’s Atlas of the World’s Languages in Danger“.
Der Atlas enthält Informationen zu mehr als 2.500 gefährdeten Sprachen weltweit. 200 Sprachen sind während der letzten drei Generationen ausgestorben, etwa 1.700 Sprachen sind ernsthaft gefährdet, über 600 Sprachen werden kaum noch gepflegt. Die Hälfte aller Sprachen sind Minderheiten- und Regionalsprachen, die von weniger als 10.000 Menschen gesprochen werden.
Der Sprachatlas listet für Deutschland 13 gefährdete Sprachen. Hier gelten Saterfriesisch, Nordfriesisch, Nieder- und Obersorbisch als „besonders gefährdet“. Das Niederdeutsche / Plattdeutsche in Deutschland und Dänemark gilt als „gefährdet“, das Südjütländische als „definitiv gefährdet“.
Für Belgien listet der Atlas 8 gefährdete Sprachen:
Champenois, Lorrain/Lothringisch und Picard/Picardisch sind „besonders gefährdet“. Wallonisch und Jiddisch sind „definitiv gefährdet“. Westflämisch, Limburgisch und Lëtzebuergesch/Moselle Franconian sind „gefährdet“.
Für Polen listet der Atlas 9 gefährdete Sprachen:
Kaschubisch und Vilamovian/Wilmesaurisch sind „besonders gefährdet“. Weißrussisch, Polesian/Polessisch, Rusyn/Ruthenisch und Romanes sind „gefährdet“. Slovincian/Slowinzisch ist bereits ausgestorben.
Der Atlas der bedrohten Sprachen präsentiert aber nicht nur negative Entwicklungen. Eine gezielte Politik erhöhte die Sprecherzahlen von indigenen Sprachen, unter anderem in Südamerika, Mexiko, Kanada und den USA. In Europa wird als einziges positives Beispiel die kornische Sprache (Cornwall) genannt, die in den Atlasausgaben aus den Jahren 1996 und 2001 als ausgestorben galt.
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Moseley, Christopher: Atlas of the World’s Languages in Danger, 3rd edn. Paris, UNESCO Publishing 2010. Online version